Themen
Co-Habitation
Entwürfe und Statements für eine Architektur des Zusammenlebens von Mensch, Flora und Fauna.
Marc Frohn und Thomas Hauck E. Hauck : Eine Architektur der Cohabitation
Der Architekt Marc Frohn und der Landschaftsarchitekt und Mitbegründer der Animal-Aided Design Methode Thomas E. Hauck haben sich im Rahmen der Ausstellung Cohabitation mit dem Gelände des silent green Kulturquartiers befasst. Daraus entstanden eine Sound-Installation in Kooperation mit der Künstlerin Zoë Mc Pherson, ein Entwurf und ein Manifest für eine Architektur der Cohabitation.
Wir haben uns der "Cohabitation" aus zwei Richtungen genähert. Einerseits mit einer architekturhistorischen Spurensuche auf dem Gelände des silent green. Andererseits haben wir in die Zukunft geblickt und gefragt: Wie könnten Regeln für eine Architektur der Cohabitation formuliert werden?
Ausgangspunkt der Spurensuche war die Kuppelhalle des ehemaligen Krematoriums, das sogenannte Kolumbarium. Ein Raum, der eine Cohabitationsgeschichte hat, denn der Begriff Kolumbarium bezeichnete ursprünglich einen Taubenschlag (lat. columba = Taube), aufgrund der visuellen Ähnlichkeit wurde der Begriff auf römische Urnengräber übertragen. Das verbindende typologische Element ist die Nische. Schon der römische Schriftsteller Marcus Trentius Varrus hat versucht, den Lebenskosmos für Tauben architektonisch, lebensräumlich zu definieren. Er beschrieb, wie sich zwei Tauben eine Nische teilen, aber auch, dass ein bestimmter Putz zu verwenden sei, sodass andere Tiere nicht in den Taubenschlag gelangen. Diese detaillierten Handlungsanweisungen sind auch eine Schnittstelle zum Animal-Aided Design. Wir wollten diese beiden Welten, Erinnerungskultur und Vogelwelt, zusammenbringen. Aus den Stimmen von Vögeln, die in Berlin ausgestorben sind, hat die Künstlerin Zoë Mc Pherson dann eine immersive Sound-Installation für die Kuppelhalle komponiert. Zudem haben wir einen beispielhaften Entwurf für eine Cohabitation mit Vögeln auf dem Gelände des silent green und, in Form eines Manifests für eine Architektur der Cohabitation, auch darüber hinaus formuliert.
Grundlegend für eine solche ist zunächst, sich als Architekt*in vor Augen zu führen, dass Architektur Tiere töten, verletzen und schädigen kann. Jährlich verunglücken Schätzungen nach deutschlandweit 100 bis 115 Millionen Vögel tödlich durch Anprall an Glasflächen – ein wesentlicher Treiber der Populationsrückgänge in der Vogelwelt. Architektur tötet und schädigt Tiere auch durch Licht. Insekten kreisen bis zum Erschöpfungstod um Straßenlaternen, Fledermäuse werden in ihren Jagdhabitaten oder Zugvögel in ihren Flugrouten beeinträchtigt. Die Bewegungsmodalitäten der Tiere – besonders auf urbaner Ebene – müssen mitbedacht werden.
Wir produzieren immer Räume der Cohabitation, auch wenn wir dies nicht beabsichtigen. Landnutzungsänderungen sind einer der Haupttreiber des globalen Artensterbens – 75% der Landoberfläche weltweit wurden durch den Menschen verändert. Dabei gehen aus Sicht des Menschen unproduktive Flächen verloren, auf die aber viele Arten angewiesen sind. Wir verändern die Erdoberfläche und Ökosysteme in einer Form, die immer weniger oder nur bestimmten Arten zu Gute kommt. Doch das Manifest geht in seinen Forderungen über ein Bewahren hinaus. Eine Architektur der Cohabitation sollte nicht-menschlichen Tieren ein Nutzungsangebot machen.
Grundlegend für eine solche ist zunächst, sich als Architekt*in vor Augen zu führen, dass Architektur Tiere tötet, verletzt und schädigt. Jährlich verunglücken Schätzungen nach deutschlandweit 100 bis 115 Millionen Vögel tödlich durch Glasschlag – ein wesentlicher Treiber der Populationsrückgänge in der Vogelwelt. Architektur tötet und schädigt Tiere auch durch Licht. Insekten kreisen bis zum Erschöpfungstod um Straßenlaternen, Fledermäuse werden in ihren Jagdhabitaten oder Zugvögel in ihren Flugrouten beeinträchtigt. Die Bewegungsmodalitäten der Tiere – besonders auf urbaner Ebene – müssen mitbedacht werden.
Wir produzieren immer Räume der Cohabitation, auch wenn wir dies nicht beabsichtigen. Landnutzungsänderungen sind einer der Haupttreiber des globalen Artensterbens – 75% der Landoberfläche weltweit wurden durch den Menschen verändert. Dabei gehen unproduktive Flächen verloren, auf die viele Arten angewiesen sind. Wir verschieben ökologische Nischen in einer Form, die immer weniger oder nur bestimmten Arten zu Gute kommt. Doch das Manifest geht in seinen Forderungen über ein Bewahren hinaus. Eine Architektur der Cohabitation sollte nicht-menschlichen Tieren ein Nutzungsangebot machen.
Das entspricht auch der Praxis des Animal-Aided Designs, einem Planungsansatz, der die Bedürfnisse von stadtbewohnenden Tieren in den Entwurf integriert. Einen solchen haben wir für eine Ansiedlung verschiedener Vogelarten im ungenutzten Schornstein des silent green entwickelt. Dass der Entwurf, u.a. aus Bedenken vor einem Konflikt mit dem Naturschutz, nicht umgesetzt werden konnte, zeigt auch die alltäglichen Probleme und Nutzungskonflikte der Cohabitation.
Um für Tiere planen und bauen, um ihnen ein gutes Leben über alle Phasen ihres Lebenszyklus anbieten zu können, müssen wir ihre Bedürfnisse genau kennen. Trotzdem sind deren ökologische Nischen nie exakt modellier- und konstruierbar. Es eröffnet sich immer ein experimenteller Raum der Besiedlung. Das Zusammenleben von Menschen und Tieren zu gestalten ist auch kreative Arbeit, so wie bei der Architektur für den Menschen. Und es ist immer eine bewusste Entscheidung. Dabei liegen die Kompetenzen jedoch nicht allein bei den Architekt*innen. Cohabitation ist vor allem auch eine sozio-kulturelle Herausforderung und ein politischer Prozess.
Marc Frohn
ist Mitbegründer des Architekturbüros FAR frohn & rojas. Er studierte an der RWTH Aachen, der Universitá Federico II in Neapel, der University of Houston und Rice University, Houston. Er arbeitete beim Office for Metropolitan Architecture und kollaborierte mit b&k+ brandlhuber. Er lehrte an der RWTH Aachen, der SCI-Arc in Los Angeles und dem Royal Collage of Art in London. Derzeit steht er dem Lehrstuhl Raum Entwerfen am Karlsruher Institut für Technologie vor.
Thomas Hauck
ist Landschaftsarchitekt, Autor und lehrt im Fachgebiet Freiraumplanung der Universität Kassel. Seit 2013 leitet er zusammen mit Wolfgang Weisser von der TU München das Forschungsprojekt Animal Aided Design, welches zum Ziel hat, das Vorkommen von Tieren als Teil der Gestaltung von Freiräumen integrativ zu planen.
Entstanden im Rahmen des Projekts Cohabitation: Ein Manifest für Solidarität von Tieren und Menschen im Stadtraum, 2021
Projektbeispiel
Natalie Jeremijenko
TREExOFFICE & Urban Space Station
Statement
Prof. Dr. Christoph Küffer, Dr. Juanita Schläpfer-Miller, Dr. Kevin A. Vega
Urbane Ökosysteme im Zeitalter des Anthropozäns
Bildstrecke
Moritz Ahlert und Alsino Skowronnek
Mapping the Post-Human City
Projektbeispiel
Casagrande Laboratory (C-LAB)
Ruin Academy
Der Diskurs folgt vier Themen