Themen
Reimagining
Das Modellverfahren Mäusebunker steht für die Gestaltung eines Prozesses – hin zu einer nutzungsorientierten Analyse und Umdeutung dieser sperrigen, ikonenhaften Architektur.
Ludwig Heimbach : Die studentischen Arbeiten zum Mäusebunker in der Ausstellung „Mäusebunker & Hygieneinstitut: Experimental Setup BERLIN. Architetture di G+M Hänska I Fehling + Gogel“
Die Ausstellung der BDA Galerie Berlin wurde von Professor Marko Pogacnik anlässlich der Architekturbiennale Venedig an die Galerie Gino Valle der IUAV eingeladen. Um den Ausblick auf den immer noch vom Rückbau bedrohten Mäusebunker und die Debatte in den Universitäten zu verankern werden die in den letzten anderthalb Jahren an internationalen Hochschulen entstandenen studentischen Arbeiten die Ausstellung erweitern.
Die ausgestellten Arbeiten fokussieren in umfassender thematischer Bandbreite das Gebäude in seinen Kontexten. Sie sind im Sinne des Ausstellungstitels als experimentelle Versuchsanordnungen zu verstehen, die an folgenden Architekturhochschulen entstanden sind: Aarhus School of Architecture, Bauhaus Universität Weimar, ENSAP Bordeaux, Estonian Academy of Arts, ETH Zürich, KIT Karlsruhe, Technische Universität Berlin.
Perspektiven auf eine mögliche Zukunft des Mäusebunkers.
Die Entwürfe eröffnen auf sehr verschiedenen Ebenen exemplarische Möglichkeitsräume zur Nach- und Weiternutzung des Gebäudes, sie sind kraftvolle, vom Gebäude provozierte Reaktionen auf Fragen unserer Zeit.
Sie gestalten das Zusammenleben und -arbeiten von Menschen und von Mensch und Tier in einem Gebäude, in dem der Umgang mit dem Klimawandel, eine kritische Einstellung zu unserem Umgang mit Ressourcen und zur Ernährung eine bedeutende Rolle spielen.
Sie befragen anlässlich der Geschichte des Gebäudes als Tierlaboratorium und -zuchteinrichtung unser Verhältnis zur Natur und zur Vorstellung des Nutz-Tiers.
Der Mäusebunker wird auch als gebaute Maschine weitergedacht, die in ein neues Verhältnis mit der umgebenden Natur eintritt.
Von besonderem Interesse sind auch die vorgestellten Analysen zu verschiedenen Thematiken der Struktur des Gebäudes, der bauökonomischen Grundlagen als Entwicklungspotential bis hin zur Biodiversität des Ortes.
An der ETH Zürich haben die Studierenden von Professor Arno Brandlhuber in den letzen beiden Semestern daran gearbeitet, im Medium Film den Mäusebunker als Ort der Kohabitation von Mensch und Tier/ Pflanze umzuprogrammieren.
Das Gebäude wird hier vorwiegend als „Bad Guy“ begriffen, den man zunächst bezwingen und aufbrechen muss, um ihn einem neuen System von Mensch-Natur-Verhältnis zuzuführen, das nicht, wie noch zu Zeiten der Entstehung des Baus „dem toten Hasen die Bilder“ (Joseph Beuys) erklärt, sondern in dem zuweilen ein Pilz eine symbiotische Beziehung zu Künstlern eingeht und dessen Arbeit eine neue, ungeahnte Sinnhaftigkeit verleiht – auch wird der „kontrollierte Verfall“ als Option der Übernahme des Gebäudes durch die Natur zur Diskussion gestellt.
Die am KIT Karlsruhe entstandene Masterthesis von Anna-Maria Grimm, die von Prof. Mark Frohn und Prof. Dirk Hebel betreut wurde, übersetzt den Aspekt der im Gebäude gespeicherten grauen Energie als CO2-Fußabdruck direkt in die Funktionalität des Gebäudes, einer Emissionshandelsbörse, auf. Die Arbeit lotet verschiedene neue Außenbezüge des bislang introvertierten Gebäudes aus: Drei Türme ersetzen die bisherige Technik-Dachlandschaft, während dasselbe Volumen als Lichthöfe dem Gebäude entnommen werden.
Prof. Kristin Wellner hat in einem bauökonomischen Seminar mit den Studierenden an der Technischen Universität Berlin untersucht, welche ökonomischen Bedingungen ein Umbau des Mäusebunker zu erfüllen hat. Die Analyse der wirtschaftlichen Zusammenhänge stand als bestimmender Faktor eines ressorcengerechten Ansatzes, der von alternativen Sportnutzungen bis zu Nutzungen als Life Science Gründungszentrum oder Rechenzentrum reicht.
An der Bauhaus-Universität Weimar organisierte Prof. Steffen de Rudder mit Martina Jacobi und Pola R. Koch einen dreitägigen internationalen Urban Hackathon, mit dem Thema, den Mäusebunker als Dinosaurier zu reanimieren und die dystopische Gestalt in einen „paradiesischen Zustand“ zu überführen. Die international besetzten Teams entwickelten verschiedene Nutzungsszenarien in kraftvollen Bildsprachen: vom Techno- bis zum Veggie- und Bio-Bunker.
Es ist zu hoffen, dass der kreative Impuls der studentischen Arbeiten die weitere Debatte um die Weiternutzung des Mäusebunkers beflügeln wird und die aufgezeigten Denkansätze und Möglichkeitsräume aufgreift und vertieft. Die Breite und inhaltliche Tiefe der akademisch geführten Auseinandersetzung mit dem Mäusebunker bildet die künstlerische und gesellschaftliche Relevanz des Gebäudes ab – und auf akademischer Seite ist das Interesse ungebrochen:
Es entstehen derzeit weitere Entwürfe zum Mäusebunker an der btu Cottbus und der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Die kunsthistorische Bedeutung des Gebäudes wird derzeit an der TU Berlin und der Universität Zürich in verschiedenen Arbeiten untersucht.
In Venedig nimmt der Doktoratsstudiengang „Composizione Architettonica“ Prof. Armando del Fabro, die Ausstellung zum Anlaß, in einem von Giacomo Calandra di Roccolino veranstalteten öffentlichen Seminar am 23.09.2021 die Gebäude im Kontext expressionistischer Nachkriegs-Architekturströmungen in Deutschland zu reflektieren.
Es werden Arbeiten gezeigt von:
Fouad Ajami, Seren Arber, Saniye Atalay, Zoe Baurens, Mathias Berg Henriksen, Charlotte Bitter, Jasmina Brüschke, Jacqueline Ekhteshafi, Nicolas Falipou, Francois Cardeli Garcia, Anna-Maria Grimm, Anna Luzia Hess, Minoo Heidari Tabar, Niclas Heydorn, Anne Hommerich, Lewis Horkulak, Audren Jerezature, Chaymae Kriouile, Hannah Kruse, Helin Kuldkepp, Bing Liu, Patrick Liik, Anna L. Loschen,Vincent Marx
Amine Mashhadirezaydorn, Liisa Østrem, Mia Martina Peil, Judith Caroline Platte, Helena S. Reischel, Clara Rousset, Joel Schülin, Gerda Seidelmann, Rajmon Timon, Hinde Wahbi, Ziqi Zhang
Zur Ausstellung "Experimental Setup Berlin"
Statement
Ludwig Heimbach
Mäusebunker & Hygieneinstitut: Experimental Setup Berlin
Interview
Ludwig Heimbach
Die Architektur der Hänskas im Kontext ihrer Entstehung
Feature
Technische Universität Berlin – Institut für Architektur Bauökonomie/Immobilienwirtschaft
Nachnutzungskonzepte „Mäusebunker“
Feature
Universität Weimar, der AarhusSchool of Architecture der ENSAP Bordeaux und der Estonian Academy of Arts
Urban Design Hackathon
Feature
Anna-Maria Grimm
Masterarbeit Architektur 2020, KIT
Der Diskurs folgt vier Themen