Werkstatt
Wodurch ist die nahe und weitere Umgebung um den Mäusebunker charakterisiert? Welche Potenziale bietet der für die Stadtentwicklung Berlin-Südwest?
Wege der Entwicklung.
Im städtebaulichen Kontext und im Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Werkstatt II: 23.11.2022 im Institut für Hygiene und Umweltmedizin
Die in der ersten Werkstatt erarbeiteten Grundlagen zeigen, welche bauliche Eingriffe an dem Gebäude machbar wären und skizzieren die dazu möglichen Umnutzungsoptionen: als Ort der Co-Habitation, als Archiv, Lager, Ort urbaner Lebensmittelproduktion (Hydroponik), als Museum bzw. Ausstellungsort mit Ateliers und gastronomischen Einrichtung oder sogar als Büro- oder Laborstandort. Aufgrund der baulichen Struktur, die das Gebäude in fünf gleichgroße Abschnitte einteilt, könnte das Gebäude auch stufenweise entwickelt werden und sich zeitlich, finanziell und gestalterisch langsam an das Gebäude herangetastet werden, was auch für unterschiedliche Stakeholder interessant sein könnte.
Schwerpunkt der zweiten Werkstatt waren die Nutzungsmöglichen mit Blick auf die Liegenschaft und die unmittelbare Nachbarschaft, auf die nahe Umgebung aber auch auf die Potenziale im Rahmen bestehender Entwicklungsstrategien des Campus Benjamin Franklin im Rahmen der „Charite 2030: Rethinking Health“ der Charité Universitätsmedizin und der Stadtentwicklung Südwest.
Grundsätzlich bietet das 21.750 m2 Grundstück des Mäusebunkers den Raum für weitere Bauten. Die Bodenbeschaffenheit stellt jedoch seine Anforderungen an Ergänzungsbauten ebenso wie an die Installation von Baukränen.
Die ikonische brutalistische Architektur des Hygiene-Instituts der Charité, das bereits als Denkmal eingetragen wurde, ist der unmittelbarste Nachbar. Funktional und über einen Tunnel miteinander verbunden sowie in ihrer bauhistorischen Verortung gelten die beiden Gebäude als ein Ensemble.
Prägend für die unmittelbare Umgebung des Mäusebunkers (und kontrastreich im Hinblick auf seine Funktion) ist auch das abgegrenzte Naturschutzgebiet, der kleine Auwald. Das ausgezeichnete Naturschutzgebiet erstreckt sich zwischen dem Krankenhaus Benjamin Franklin, Hygiene-Institut, Schlosspark Lichterfelde und Teltowkanal.
Letztere markieren die Qualität als Erholungsgebiet. Die Umgebung zum Naturschutzgebiet bringt außerdem spezifische Auflagen für die Entwicklungsvorhaben der Nachbarschaft mit sich.
Zu der nahen Umgebung im Westen gehören neben dem Campus Benjamin Franklin, dem der Mäusebunker räumlich angegliedert ist, außerdem der Lichterfelder Ortskern mit dem historischen Dorfplatz und der Kirche im Stil der Backsteingotik, dem sogenannten „Dorfanger Lichterfelde“ sowie die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Villenkolonie mit ihren Vorgärten.
Nördlich an den Campus Benjamin Franklin befinden sich auf Höhe des Bäke- und Stadtparks Steglitz einzelne Geschäfte und Dienstleister.
Am westlichen Ufer des Teltowkanals gibt es einen Spazier- und Radweg. Am gegenüberliegenden Ufer hat sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Industrie angesiedelt. Heute ist das Kraftwerk Lichterfelde ein Denkmal, für das zurzeit Nachnutzungen gesucht werden.
Südlich schließt an den Hafen zunächst ein Gewerbegebiet an, und darauf folgt eine knapp anderthalb Kilometer lange Grünfläche mit öffentlichen Sport- und Freizeitanlagen.
Nach dem Infrastrukturkonzept Steglitz-Zehlendorf (SIKo) weist die Bezirksregion Drakestraße Defizite bei Jugendfreizeiteinrichtungen, Spielplätzen, Familienzentren, Weiterbildungs- und Kultureinrichtungen auf und liegen weit unter den landesweit geltenden Richtwerten. Außerdem ist eine statische Unterversorgung mit wohnungsnahen öffentlichen Grünflächen zu verzeichnen, sodass den vorhandenen Freiflächen eine besonders wichtige Versorgungsfunktion zukommt.
Mehr zur Weiterentwicklung des CBF und die Stadtentwicklung Südwest ist hier zu finden.
Das öffentliche Verkehrsnetz der um den Mäusebunker ist ausbaufähig. Derzeit ist der Mäusebunker direkt nur mit dem Bus zu erreichen. Der Mäusebunker liegt zwischen den Bahnhöfen S-Bahnhof Botanischer Garten (S1, circa 1 Kilometer) und Lichterfelde-Ost (S. 25 +26 + Regionalbahn, circa 1,5 Kilometer). Geplant ist, die vorhandene Wegverbindung am Teltowkanal zur Radschnellverbindung RSV 6 von Norden über Südkreuz bis zum Potsdamer Platz auszubauen. Eine Wasserverbindung über Teltowkanal zu entwickeln, der Bundeswasserstraße ist, erscheint wenig plausibel.
Fazit: Werkstatt II
Der Mäusebunker liegt inmitten eines Infrastrukturbandes, das für die Ortsteile zwischen Steglitz und dem südlichen Stadtrand – also Lichterfelde West und Ost sowie Lankwitz – von großer Bedeutung ist. In einer Zone beiderseits des Teltowkanals befinden sich viele öffentliche Einrichtungen – einige Schulen, das Klinikum, Sportanlagen und Parks – außerdem Gewerbe und weitere Dienstleistungen. Zudem sind die Uferwege entlang des Teltowkanals eine wichtige Nord-Süd-Verbindung für den nicht-motorisierten Verkehr.
Durch eine gestalterische Öffnung des Freiraums am Mäusebunker kann es gelingen, ihn in seinem Kontext besser zu verorten, und mit der attraktiven Lage im Grünen und am Wasser auch die Aufmerksamkeit aus dem hochfrequentierten Infrastrukturband auf den Standort zu lenken. Ins Gespräch kamen außerdem Vorschläge, wie eine solche Umgestaltung auch unabhängig von Maßnahmen am Gebäude selbst bereits kurzfristig begonnen werden könnte: etwa in Form von Kooperationen mit (internationalen) Lehrstühlen der Landschaftsarchitektur. Ein solches, experimentelles Freiraum-Reallabor könnte auch Impulse für eine ökologische Quartiersentwicklung innerhalb dieser besonderen und an Biotopen reichen Wasserlandschaft zwischen Tempelhof und Kleinmachnow geben. Überdies ließen sich leicht thematische Verbindungen zur Transformation des Campus Benjamin Franklin herstellen, also zum Life Science Campus mit seinem holistischen Gesundheitsansatz: die Liegenschaft Mäusebunker wird Teil einer „heilenden“ Stadtlandschaft mit vielfältigen Co-Habitaten für Menschen und Nicht-Menschen.
Eine Betrachtung Berlins aus Sicht der Immobilienwirtschaft zeigte, dass die Wertsteigerung von Boden und Immobilien in der zurückliegenden Dekade enorm (fast 30 %) ist, und dass dieser Trend trotz Inflation und weiterer Krisen vermutlich anhalten wird. Da Berlin keine landeseigenen Liegenschaften mehr veräußern wird, steht die In-Wert-Setzung des Mäusebunkers einerseits unter dem Druck, den der anhaltend hohe Flächenbedarf in der Hauptstadt generell ausübt und andererseits die „Authentizität“ des Gebäudes zu erhalten (s. Glossar). Für Investoren sind nicht nur möglichst gut lokalisierte und gestaltbare Liegenschaften von Interesse, sondern auch unverwechselbare Orte mit Ausstrahlung, wie es der Mäusebunker nicht nur durch seine Architektur ist, sondern auch aufgrund seiner Geschichte und der Diskurse, die sich an ihn knüpfen. Nicht zuletzt spielt hier auch die Förderfähigkeit im Zeichen der Bauwende und des Denkmalschutzes eine Rolle.
Diese besondere Charakteristik kann, wie das Beispiel der Umnutzung einiger Altbestandsgebäude in Adlershof zeigt, durchaus dazu führen, dass Investoren Mehrkosten und kompliziertere Abläufe in Kauf nehmen – wenn es gelingt, diesen Mehraufwand als Investition in die Bildung einer identitätsstiftenden Marke darzustellen.
Im Hinblick auf die Stichworte „Leitbild“ und „Entwicklung“ für den Standort ist als Fazit der Werkstatt festgestellt worden, dass im weiteren Prozess unterschiedliche Zeitebenen zu beachten und auch unterschiedlich zu adressieren sein werden.
Einerseits wird es für die Entwicklung eines Nutzungs- und Betreiberkonzeptes sowie für die Planung baulicher Anpassungen vermutlich einen langen Atem brauchen. Andererseits sollte eine Aktivierung des Ortes und damit eine öffentliche Teilnahme an dem Entwicklungsprozess kurzfristig möglich sein und mittelfristig zu konkreten ersten Ergebnissen – etwa in Form von Reallaboren – führen.
Ein großes Manko, das fortbesteht, ist die mangelhafte Anbindung des Ortes an den Öfentlichen Nahverkehr. Auch in der Werkstatt geäußerte Ideen zu einer wassertouristischen Belebung des Teltowkanals würden daran nicht viel ändern.
Wichtig für eine Kommunikation mit Akteur*innen, die möglichst viele Optionen für die Entwicklung des Mäusebunkers offenhält, ist der Anstoß ein Bebauungsplanverfahren. In dieser Hinsicht, wie auch insgesamt bezüglich der konzeptionellen und politischen Arbeit an der Entwicklung des Standortes empfiehlt sich eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen.
Mehr erfahren und das komplette Handbuch zu den strategischen Werkstätten im Modellverfahren Mäusebunker hier downloaden.