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Architektur
Im Rahmen des Modellverfahrens Mäusebunkers soll die Diskussion um Denkmalwürdigkeit und Erhalt des ikonischen Gebäudes im internationalen Diskurs der Baukultur geführt werden.
Catherine Croft : Eine aufsehenerregende Huldigung an die Technik
Als langjährige Direktorin der C20 Society besitzt Catherine Croft umfassendes Wissen im Bereich des Erhalts gefährdeten architektonischen Erbes – insbesondere aus der Epoche des Brutalismus – in Großbritannien.
Mit dem „Mäusebunker“ von Gerd und Magdalena Hänska und dem ehemaligen Institut für Hygiene und Mikrobiologie von Fehling + Gogel gibt es auf dem Campus der Charité im Südwesten Berlins gleich zwei herausragende Bauten der Nachkriegszeit, die aus ähnlichen Gründen vom Abriss bedroht sind bzw. waren wie die Gebäude, für die wir uns mit der Twentieth Century Society seit 1979 einsetzen.
Der eingängige Spitzname des Tierlaboratoriums, „Mäusebunker“, ist niedlich und unheimlich zugleich und das Gebäude wirkt wie einer Fantasiekulisse für einen Tom-und-Jerry-Film entsprungen. Mit seinen schrägen Formen erinnert es sehr an die mittlerweile abgerissene Pimlico School von John Bancroft von 1964/65: Beide wurden mit Kriegsschiffen verglichen und dieses hier sieht aus, als hätte es sich losgerissen und würde nun herumwüten. Damit hat es all die Energie und charmante Frechheit, die ich von einem medizinischen Forschungsgebäude erwarte. Für die weit vorspringenden blauen Rohre und die pyramidenförmigen Fenster mag es praktische Gründe geben – sie lassen frische Luft bzw. indirektes Tageslicht herein –, aber mehr noch als beim Londoner Southbank Centre sind sie sicherlich eine heitere, aufsehenerregende Huldigung an neue Technologien, die eine Steuerung der Umweltbedingungen im Gebäudeinneren und kühne neue Gebäudeformen ermöglichen.
Der „Mäusebunker“ steht seit 2010 leer, und als ein Argument für seinen Abbruch wird die Asbestverseuchung angeführt. In anderen Bestandsgebäuden aus dieser Epoche konnte die Asbestproblematik jedoch gelöst werden, und auch wenn das Gebäude seiner ursprünglichen Nutzung nicht mehr gerecht wird, könnte man es renovieren und anders nutzen – zu den Möglichkeiten gibt es bereits mehrere Studien.
Das Institut für Hygiene und Mikrobiologie springt mit seinen expressiven, geschwungenen Betonformen weniger ins Auge und wird als eine „wahre Zeitkapsel seiner Epoche“ beschrieben, zumal im Inneren nur sehr wenig verändert wurde. Es ist mit Sicherheit anpassungsfähig und steht zum Glück seit Januar 2021 unter Denkmalschutz.
Beide Gebäude enthalten eine enorme Menge grauer Energie – allein die Umweltauswirkungen eines Abrisses sollten eine ausreichende Rechtfertigung für den Erhalt sein.
Auf den Fotos unseres Fotografen Thaddeus Zupančič aus dem Jahr 2017 wird nicht nur die plastische Virtuosität der Gebäude deutlich, sondern sie dokumentieren auch den außerordentlich guten baulichen Zustand ohne freiliegende Bewehrungsstäbe. Es ist zu hoffen, dass beide Bauten eine glänzende neue Zukunft vor sich haben.
Mit freundlicher Genehmigung der C20 Society, erstmals veröffentlicht am 16.04.2020.
Um sich auch weiterhin für herausragende Bauten des 20. Jahrhunderts in Großbritannien einsetzen zu können, ist die C20 Society auf Spenden und neue Mitglieder angewiesen.
Fotografien der Pimlico School von Anna Stathaki.
Projektbeispiel
Oliver Elser
SOS Brutalism
Interview
Prof. Dr. Silke Langenberg
Zum baulichen Erbe der 1960er- und 1970er-Jahre, neue Ansätze in der Nachnutzung und mögliche nächste Schritte zur Zukunft des Mäusebunkers
Feature
Gunnar Klack
Geschichte und städtebaulicher Kontext des Mäusebunkers
Interview
Prof. Dr. Gabi Dolff-Bonekämper
Ein Berghain des Westens? Nicht ohne Denkmalpflege!
Der Diskurs folgt vier Themen